Die Totenkulterer von Kärnten - Lindas Zimmerdschungel

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

my little world > Texte


Die Totenkulterer von Kärnten

15. Jänner 2010, 18:29 Politischer Alltag in einer "Genussregion" - Oder Wie der "Dörfla" und die "Lourdes-Mizzi" das Geld unter die Leut' bringen: Ein carinthisches Pandämonium zur Einstimmung auf den Parteitag der FPK

Josef Winkler



Der ehemalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider hat in Klagenfurt bedürftige und arme Leute zum Amt der Kärntner Landesregierung hin gelockt und hat auf der Marmortreppe diesen Menschen, denen es auch durch ihre lebenslange Arbeit nicht gelungen ist, am Wohlstand teilzuhaben, mit der kleinlichen Geste und mit seinen kurzen Armen 100 Euro in die Hände gedrückt, und gleichzeitig hat er mit einer maßlos großzügigen Geste und mit einem vergoldeten, langen Arm, der von Klagenfurt ins 30 Kilometer entfernte Villach reicht, gemeinsam mit dem Vorsitzenden der christlichen und auch noch sozialen Volkspartei, Josef Martinz dem Villacher Steuerberater Dietrich Birnbacher beim Verkauf der Kärntner Hypo-Bank an die Bayern für seine "zweimonatige Beratung" sechs Millionen Euro zugeschanzt. Der so begünstigte Steuerberater hat die Aktion mit den Worten begründet: "Es waren zwei arbeitsintensive Monate!"

Diese Aktion des Landeshauptmanns war eine schwere Demütigung bedürftigen Menschen gegenüber. Aber er hat es vorgezogen, mit diesem Geld aus Landesvermögen, einem Steuerberater, mit dem der christliche und auch noch sozial denkende und fühlende Mensch, Kärntner Spitzen-Politiker und Lourdes-Marien-Wallfahrer, Josef Martinz, befreundet ist, zum Multimillionär zu machen. Der röm.-kath. Josef Martinz, dem man oft bei Werbeeinschaltungen in Zeitungen -"Genussregion Kärnten" - mit einer Holzplatte in der Hand sieht, auf der er Kärntner Speck und Kärntner Selchwürste präsentiert und der deshalb von vielen Leuten "Brettl-Jausn-Sepp" genannt wird, hat vor über einem Jahr, einen schweren Verkehrsunfall überlebt und nach seiner Genesung im Freundeskreis demutsvoll erzählt, dass ihm die "Lourdes-Mitzi" bei diesem Unglück das Leben gerettet hat.

In Klagenfurt, in einer Stadt mit 100.000 Einwohnern, haben größenwahnsinnige Politiker - selbstverständlich war auch der inzwischen Verstorbene dabei - für drei Fußballspiele, für 4 ½ Stunden Fußball, die drei Spiele der Europameisterschaft 2008, ein Stadion mit 30.000 Sitzplätzen bauen lassen, das 70 Millionen Euro gekostet hat. Jetzt steht der Krempl da und sie wissen nicht so recht, was sie damit anfangen sollen, damit sich auch die täglichen und laufenden Kosten dieses Ungeheuers aus Stahl in dieser Kleinstadt rentieren.

Die Universitätsstadt Klagenfurt hat außerdem seit dem Zweiten Weltkrieg keine Stadtbibliothek, seit also über 60 Jahren nicht. Das ist europaweit einzigartig. Und ich fürchte auch, dass diese, das Land Kärnten regierenden politischen Banditen, gar kein Interesse haben, dass sich die jungen Menschen auch außerhalb der Schule weiterbilden und vielleicht sogar - Gott behüte! - zu kritisch denkenden, diese Art von ausbeuterischer Politik verachtenden Menschen werden.

Jeder zweite nicht mehr in die Schule gehende Jugendliche hat keine Arbeit, aber anstatt mit diesem Geld endlich eine Stadtbibliothek zu bauen oder dieses Geld zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu verwenden, hat man mit einem zentnerschweren Goldklumpen die Brieftasche dieses Villacher Steuerberaters aufgefettet, für sechs Millionen Euro bekommt man 280 Kilogramm reines Gold.

Der jetzige Nachfolger des verstorbenen Landeshauptmannes, der auf der Blutsuppe von Jörg Haider dahergeschwommen ist, hat sich ebenfalls vor Weihnachten auf die Marmortreppe des, wie es so schön heißt, Amtes der Kärntner Landesregierung gestellt und hat die Bedürftigten mit lächerlichen 100 Euro abgespeist, dieser Nachfolger, der auch mehrfach der Öffentlichkeit mitgeteilt hat, dass er sich am allerliebsten im Wald bei Holzfällerarbeiten aufhält und der den Klingelton seines Handys auf ein Motorsägengeräusch gestellt hat. Er hebt ab und sagt: "Dörfla!"


Offene Worte


Er hat sich nicht davor geschämt. am ersten Todestag von Jörg Haider, ebenfalls auf der Marmortreppe, Gratis-Kerzen ans Volk verteilen zu lassen.

Dieser neue Landeshauptmann von Kärnten, der in seiner noch nicht einmal einjährigen Amtszeit auch durch rassistische und frauenfeindliche Äußerungen aufgefallen ist, der aber beweisen wollte, dass er alles andere als ein Rassist ist, hat vor kurzem bei einem von den Fernsehkameras verfolgten Internationalen Dauerlauf in Kärnten den siegreichen Schwarzen auf seinen Schultern getragen, um dann einige Wochen später die Verstaatlichung der grauslich maroden Kärntner Hypo-Bank gemeinsam mit dem Marienverehrer Josef Martinz zu bejubeln und der österreichischen Öffentlichkeit frohlockend mitzuteilen: "Kärnten ist nicht neger!"


Flinke Hände


Die Kärntner Landtagsparteien (BZÖ/ÖVP/SPÖ/Grüne) haben sich im vergangenen Mai 2009 in einer Nacht- und Nebelaktion, als die Leute von der Presse und der Rechnungshofpräsident bereits außer Haus waren, in einer Art von Parlamentsbeugung also, für diese Legislaturperiode bis 2014 Parteienförderung in der Höhe von 60 Millionen Euro durch Handaufzeigen genehmigt - die eine Hand beschmutzt die andere! -, gleichzeitig haben die beiden Kärntner Regierungsparteien, die Partei des Landeshauptmannes (BZÖ) und die christliche und erst recht herzerwärmende soziale Kärntner Volkspartei vom Marienverehrer und Lourdes-Wallfahrer Josef Martinz, durch Handaufzeigen beschlossen, den Heizkostenzuschuss zu kürzen.

Und jetzt, im Botanischen Garten in Klagenfurt, im Bergbaumuseum, in einem ehemaligen Nazistollen, wurde von seinen Totenkulterern ein Haider-Museum (Steuergeldkosten: 80.000 oder auch 40.000 Euro, keiner weiß es genau), auf die Beine gestellt, in dem man auch das von in Kärnten ausgeschlüpften Motten malträtierte Hochzeitskleid des ehemaligen Brautpaares begutachten kann. Auf einem ausgestellten farbigen Foto sieht man das Autowrack von Jörg Haider mit seiner Blutlache unter den trauerfolkloristisch berieselnden Klängen Kärntner Heimatlieder: "Valosn, valosn, wie a Stan auf da Stroßn, so valosn bin i!" (Übersetzt: Verlassen, verlassen, wie ein Stein auf der Straße, so verlassen bin ich!).

In diesem Mini-Maus-Oleum kann man ein sich ununterbrochen abspulendes Leichenbegängnis verfolgen, ein makabres Tränendrüsenspektakel sondergleichen, wo ER ständig einbalsamiert und ausbalsamiert wird, den ganzen Tag über. Einbalsamieren! Ausbalsamieren! Einbalsamieren! Ausbalsamieren!

Mein Onkel Hermann, der ein Nazi und in unglücklicher Kriegsgefangenschaft in Italien war, sagte einmal zu mir: "Seppl! Weißt, was ich dir sag?! Die Italiener gehören alle mit einer Schubraupe bis zum Stiefel hinuntergeschoben!" Ähnliche Ausdrücke und Bilder habe ich von politisch redlichen, über dieses Land und deren Politikern verzweifelnden, in Wien lebenden Menschen auch schon über Kärnten gehört. Mich hat man im In- und im Ausland schon oft gefragt, warum ich denn hier überhaupt noch wohne in Klagenfurt, in Kärnten. Ich halte es mit Herbert Achternbusch, der über Bayern gesagt hat: "Diese Gegend hat mich kaputt gemacht, und ich bleibe, bis man ihr das ansieht!"


zur Person

Der Schriftsteller und Büchner-Preisträger Josef Winkler (56) lebt in Klagenfurt, und hielt - in Anwesenheit und zum Unmut der hier porträtierten politischen Honoratioren - die Eröffnungsrede beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2009.


Quelle: DerStandard,  Print-Ausgabe, 16.01.2010

 
Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü