Wasserwerte - Lindas Zimmerdschungel

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Wasserwerte

Vorweg: Als ich in den 1970er-Jahren mit der Vivaristik begann, steckte das aquaristische Wissen über Wasserwerte noch in den Kinderschuhen. Karbonat-, Gesamthärte und pH-Wert waren gerade mal Begriffe, mit denen interessierte Durchschnittsaquarianer vielleicht ein bisschen etwas anfangen konnten. Nitrit? Nitrat? Leitfähigkeit? Keine Ahnung.

Wir richteten unsere Aquarien ein (allenfalls mit einem Schuss Aqua Safe), warteten, bis sich die Trübung gesetzt hatte, bepflanzten die Becken ordentlich ordentlich und setzten - maßvoll - Fische und vor allem Schnecken ein. Ausfälle gab es keine.

Als ich mich 2005 in einem aquaristischen Diskussionsforum anmeldete, stellte ich überrascht fest, dass die Aquarienchemie offenbar einen ungeheuren Aufschwung genommen hatte. Die Kenntnis aller möglichen Wasserwerte und natürlich der Besitz der dafür nötigen zahllosen Testreagenzien scheint wichtiger geworden zu sein als das Wissen um die sonstigen Bedürfnisse der Aquarienbewohner

Ein Aquarium ist grundsätzlich ein Lebensraum, der nach Naturgesetzen funktioniert. §1 lautet: Jeder Eingriff hat nicht nur eine, sondern eine ganze Fülle von Auswirkungen.

Zahlreiche (z.T. populärwissenschaftlich aufbereitete und so allgemein verständliche) Internetseiten geben Auskunft über die komplexen Wechselwirkungen, ein paar links sind beispielhaft am Ende dieser Seite angeführt. Ich möchte deshalb bloß ein paar wenige Parameter explizit anführen, von denen ich glaube, dass sie einerseits wichtig sind (Nitrit) und andererseits gute Beispiele für das Zusammenwirken (Leitfähigkeit - Gesamt- und Karbonathärte - Kohlendioxid - pH-Wert) abgegeben.

Ich selbst besitze nur AHS-Chemiewissen. Deshalb werde ich hier die Grundlagen und Zusammenhänge auf möglichst einfache Weise beschreiben und nehme dafür die eine oder andere sachliche Ungenauigkeit in Kauf. Für wissenschaftlich exakte Erklärungen der Abläufe gibt es einschlägige Literatur bzw. Wikipedia.

Und schließlich möchte ich noch anmerken, dass für die Meerwasseraquaristik in weiten Bereichen andere Kriterien gelten als für die hier behandelte Süßwasseraquaristik. Brackwasser rechne ich in diesem Sinn dem Süßwasser zu, auch wenn sich bspw. der Stickstoffkreislauf mit steigender Salinität in Richtung Meerwasser verändert.


Nitritpeak und Einfahrzeit


Nitrit (NO2) entsteht beim Abbau stickstoffhaltiger Verbindungen. Aus aquaristischer Sicht sind das in erster Linie Proteine in tierischen Ausscheidungen, Futterreste und abgestorbenes organisches Material. Als starkes Fischgift ist Nitrit schon in geringen Konzentrationen äußerst schädlich und meist verantwortlich für Todesfälle bei Fischen. Es verhindert den Gasaustausch im Blut und führt zum Tod durch Ersticken. Ein deutliches Anzeichen einer Nitritvergiftung ist Atemnot.

NO2 möchte ich deshalb als den einzigen wirklich wichtigen Wasserwert bezeichnen.

In dem ganzen Abbauprozess (Stichworte ‚Nitrifikation' und ‚Stickstoffkreislauf') spielen Bakterien eine wesentliche Rolle. Sie sorgen dafür, dass die giftigen Ausgangsprodukte in das weit weniger schädliche Nitrat (NO3) umgewandelt werden, das seinerseits pflanzlichem Leben (auch Algen) als Nahrung dient.

Abgesehen davon, dass der Abbau in mehreren Schritten von verschiedenen Bakterien erfolgt und sich die einzelnen Arten unterschiedlich rasch entwickeln, darf man nicht vergessen: Von nix kommt nix.

Ganz stimmt das aber auch wieder nicht, denn alle nötigen Bakterien sind als Sporen in der Luft vorhanden und siedeln sich bei geeigneten Bedingungen ganz von selbst an: Im Filtermaterial, im Bodengrund, als Biofilm an sämtlichen Oberflächen - auch den Pflanzen. Wichtig ist halt, diese Bedingungen herzustellen.

Das ‚Einfahren' eines Aquariums unter nahezu sterilen Verhältnissen (Bodengrund und Dekoration ausgekocht, Pflanzen desinfiziert und von Schnecken befreit) hat deshalb wenig Sinn und verlängert nur die Zeit, bis sich ein halbwegs stabiles (bakterielles) Gleichgewicht eingestellt hat. Oft hört man von Neulingen in der Aquaristik, dass sie ‚ohnehin die empfohlene Einfahrzeit von zwei, drei, vier Wochen eingehalten und den Nitritpeak abgewartet' hätten, aber ‚trotzdem sind die Fische kurze Zeit nach dem Einsetzen gestorben'. An sich kein Wunder, denn das plötzliche Einbringen einer größeren Anzahl tierischer Lebewesen stört das noch labile Gleichgewicht eines neu eingerichteten Aquariums enorm. Der so genannte Nitritpeak, also der Maximalwert des fischgiftigen NO2 nach der Neueinrichtung, wird natürlich auch bei nur geringen Mengen an abbaufähigem Material auftreten - allerdings auf niedrigem Niveau.

Es reicht also nicht, nur diesen einen einen bestimmten Zeitpunkt abzuwarten. Wichtig ist, das System grundsätzlich als Wechselwirkung zu verstehen und auf Kontinuität zu achten. Das heißt:

1) Einrichtung ohne Sterilitätswahn (Wurzeln, anderes Dekorationsmaterial und Bodengrund aus dem Handel sind üblicherweise nicht mit Fisch-Krankheitserregern verseucht, das Auskochen aus diesem Grund ist deshalb nicht nötig). Ein guter Tipp ist die Verwendung von Filterschlamm oder Bodengrund aus einem bereits laufenden Becken, allenfalls auch der Einsatz von im Handel erhältlichen 'Starterbakterien' (d.s. Kulturen von Nitrifikationsbakterien).

2) Möglichst frühes Einsetzen von - nicht zu vielen - wirbellosen tierischen Lebewesen. Schnecken und Garnelen sind in dieser Phase wertvolle Starthelfer. (Für wirbellose Tiere ist Nitrit nicht giftig!)

3) Füttern. Natürlich nur ganz wenig. Aber ohne Nahrung bilden sich auch nicht Bakterien in ausreichender Menge.

Der Fortschritt der Bakterienansiedlung ist anhand der Nitritentwicklung feststellbar. Vergleichsweise rasch vermehren sich jene Bakterien, deren Stoffwechsel Ammoniak in Nitrit verwandelt. Jene Arten, die NO2 aufnehmen und zu Nitrat oxidieren, haben eine schwächere Vermehrungsrate. (Das ist die Ursache für den 'Nitritpeak'.)

4) Nach und nach Einsetzen der Fische, nie zu viele auf einmal. Dabei NO2-Wert beobachten und ggf. einen teilweisen Wasserwechsel durchführen, bis der Nitritgehalt unter 0,3 mgl/l gesunken ist. (Siehe auch die links am Ende dieser Seite)

5) Mulm ist nicht Dreck! Das Verrottungsprodukt Mulm besteht zu einem Großteil aus nützlichen Bakterien und ist für viele Fischarten ein ausgesprochener Wohlfühlfaktor.


pH-Wert, Wasserhärte und Kohlendioxid


Der pH-Wert. Ein Lieblingsthema - sowohl von mir als auch ganz allgemein in Aquarienforen, allerdings aus unterschiedlichen Motiven. Ich bin überzeugt, dass der pH-Wert für sich allein kein brauchbarer Parameter für die Haltung von Aquarienfischen ist. Aber der Reihe nach ...

Von einem sauren Wasser wird gesprochen, wenn der pH-Wert unter 7 liegt. Ist er darüber, spricht man von alkalischem Wasser.

Artenbeschreibungen von Fischen beinhalten meist, dass sie entweder weiches, saures Wasser benötigen oder hartes, alkalisches. Natürliche Oberflächenwässer können - mit wenigen Ausnahmen - gar nicht anders sein als weich+sauer oder hart+alkalisch.

Der Säuregrad steht normalerweise in einem engen Zusammenhang mit der Karbonathärte, einem Maß für die im Wasser gelösten Salze der Kohlensäure: Je höher die KH, desto geringer ist die Gefahr, dass der pH-Wert auf einen für Fische schädlichen Wert sinkt. Als Salze der recht schwachen Kohlensäure werden Karbonate von stärkeren Säuren in deren Salze umgewandelt und diese Säuren damit neutralisiert. Die Karbonathärte im aquaristischen Sinn entspricht deshalb dem Säurebindungsvermögen.

Für die Gesamthärte (GH) sind die im Wasser gelösten Salze der Erdalkalimetalle, vor allem Calcium und Magnesium, verantwortlich. In der Regel ist die Karbonathärte niedriger als die Gesamthärte. Es gibt aber auch Ausnahmen, nämlich dann, wenn es sich um (Hydrogen-)Karbonate handelt, die nicht an Erdalkalimetalle gebunden sind (z.B. Soda).

In typischen Weichwassergebieten wie etwa dem Rio Negro oder vielen südostasiatischen Urwaldbächen ist das Wasser durch Huminstoffe angesäuert, sie weisen allein schon deshalb einen pH-Wert unter 7 auf.

DEN wesentlichen
Anteil am pH-Wert aber hat das im Wasser gelöste Kohlendioxid, also Kohlensäure. CO2 ist das Atemprodukt der tierischen Lebewesen und auch der Nitrifikationsbakterien. Hohe Kohlendioxidwerte werden z.B. oft im Bereich unterirdischer Quellen gemessen. Darüber hinaus schwankt der CO2-Gehalt (somit auch der pH) im Tagesrythmus infolge der pflanzlichen Assimilationstätigkeit.

Wichtig ist außerdem zu wissen, dass das Wasser in Wechselwirkung steht mit der Umgebungsluft: Über die Wasseroberfläche erfolgt ein ständiger Gasaustausch, weil sich die Mengenanteile der einzelnen Gase in Luft und Wasser einander angleichen. Meist wird Kohlendioxid vom Wasser an die Luft abgegeben. Je stärker die Oberfläche bewegt ist, desto massiver ist die CO2-Abgabe. Besonders stark ist sie bei Verwendung eines Ausströmer(‚Sprudel'-)steins.

Pflanzen benötigen für den Assimilationsstoffwechsel Kohlenstoff. Den beziehen sie normalerweise aus dem im Wasser vorhandenen CO2. Ist davon für ihren Bedarf (der hängt auch von der Beleuchtung ab) zu wenig vorhanden, verhungern sie - selbst wenn Dünger im Übermaß vorhanden ist - sozusagen an der vollen Futterschüssel. Einige Pflanzen sind aber in der Lage, Kohlenstoff aus im Wasser gelösten Karbonaten zu gewinnen. Damit erfolgt auf längere Sicht eine Reduktion der Karbonathärte, man spricht dann von biogener Entkalkung. Auch Schnecken können den für den Aufbau ihres Gehäuses nötigen Kalk dem Wasser direkt  entziehen und tragen somit ebenfalls zur biogenen Entkalkung bei.

Natürliche Gewässer, die warm, nährstoffreich, stark verkrautet und sonnenexponiert sind, können trotz geringer Wasserhärte einen alkalischen pH-Wert aufweisen, weil sie fast kein Kohlendioxid enthalten. In diesem Fall bedeutet ‚weich' also nicht gleichzeitig ‚sauer'.

Ein ganz anderes Beispiel für die Abweichung von den Regeln ist der ostafrikanische Malawisee oder die nordamerikanischen Sodaseen: Der hohe Anteil an Natriumhydrogenkarbonat führt zu einem stark alkalischem Wasser bei geringer Gesamthärte. Hier bedeutet ‚alkalisch' demnach nicht ‚hart'. (siehe oben: Natrium ist kein Erdalkalimetall, deshalb zählen Na-Salze nicht zur GH.)

Aufgrund seiner Abhängigkeit von einer ganzen Reihe anderer Faktoren ist der pH-Wert also nicht unbedingt das Maß der Dinge. Eine unmittelbare Beeinflussung des Säuregrades (etwa durch Zusatz von Salzsäure) halte ich für riskant und letztlich nicht zielführend, weil es das Wasser auf unnatürliche Weise verändert. Salz- oder Phosphorsäure etwa führt bei Wasser mit ursprünglich hoher Karbonathärte zur Bildung von Chloriden bzw. Phosphaten wie sie in natürlichem Süßwasser kaum vorkommen. Will man seinen Fischen Wasserwerte bieten, die jenen in ihrem ursprünglichen Herkunftsgebiet halbwegs nahe kommen, so ist das am Besten über die Beeinflussung Gesamtsalzgehaltes zu erreichen, und zwar mittels Verschnitt des Leitungswassers mit Osmose- oder destilliertem Wasser.

Eine weitere Methode zur Aufbereitung des Wassers ist die Verwendung von Torf - entweder als Filtermaterial oder indem eine Handvoll Torf im Frischwasser für den Wasserwechsel zwei Tage lang eingeweicht wird. Die Gerbsäuren und Huminstoffe schaffen ein für viele Fische aus tropischen Weichwassergebieten bestens geeignetes Wasser und wirken darüber hinaus desinfizierend. Bei der Filtervariante sollte allerdings die Karbonathärte regelmäßig gemessen werden, um die Gefahr eines 'Säuresturzes' zu vermeiden. Bei der Einweichvariante wiederum kann der Nitritwert ansteigen, falls der Verrottungsprozess schon während der Wasserbehandlung einsetzt. Die Torfmethode ist deshalb vergleichsweise aufwändig und setzt ein gewisses Maß an Erfahrung voraus.


Gesamtsalzgehalt und Leitfähigkeit


Im vorigen Kapitel wurde den 'traditionellen' Wasserwerten pH-Wert und Härte große Aufmerksamkeit geschenkt. Sie alle stehen aber im Zusammenhang mit einem Wert, der nach meinem Dafürhalten der aus physiologischer Sicht Wichtigste ist, weil er den Wasserhaushalt der Zellen beeinflusst: Dem Gesamtsalzgehalt.

Fische, die den Empfehlungen nach 'weiches, saures Wasser' benötigen, sind ganz einfach an salzarmes Wasser mit niedriger Leitfähigkeit gewöhnt. Das ist - bei natürlich vorkommendem Süßwasser - in der Regel gleichzusetzen mit geringer Gesamt- und Karbonathärte und folglich niedrigem pH-Wert.

Für die Haltung von Aquarienfischen ist die Aufbereitung nicht optimalen Wassers nach den im Vorkapitel beschriebenen Methoden normalerweise nur nötig bei Wildfängen oder bei besonders ungünstigem Ausgangs-Leitungswasser. Die Zucht erfordert mitunter häufiger entsprechende Maßnahmen. Ich nehme an,
dass der vom Salzgehalt abhängige osmotische Druck die Embryonalentwicklung und den Schlupf beeinflusst.


Zusammenfassung


Von den Wasserwerten wirklich relevant für den Durchschnittsaquarianer ist nach meinem Dafürhalten nur der Nitritwert und in dem Zusammenhang natürlich die grundsätzliche Kenntnis des Eiweißabbauprozesses in einem Aquarium (Stichwort 'Nitrifikation').

Karbonat- und Gesamthärte europäischer Leitungswässer sind in den meisten Fällen für die im Handel angebotenen Zierfische geeignet, vor allem wenn es sich um Nachzuchten handelt. Bei besonders hartem Ausgangswasser ist die beste Methode, den Fischbesatz danach auszurichten.

Der pH-Wert ist isoliert betrachtet kein aussagekräftiger Wasserparameter. Ein Eingriff ausschließlich mit dem Ziel, den pH zu verändern, wirkt sich auch auf andere Wasserwerte aus. Vor allem die Senkung des pH sollte nicht ohne das Wissen um die Zusammenhänge (Stichworte 'Säuresturz', 'Nitrit' ‚'Ammoniak', 'CO2-Düngung') vorgenommen werden.


interessante links

 
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