Evas Apfel - Lindas Zimmerdschungel

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Evas Apfel
Die Erbsünde einmal anders betrachtet oder Die Geschichte von der Taufliege, Sodom und Gomorrha


Im November 2006 gab's im Standard einen Bericht, wonach eine Gen-Manipulation bei der Taufliege Drosophila melanogaster zu einer Umkehr des Sexualverhaltens geführt hat.

Es wäre jetzt interessant zu erfahren, ob die Gen-Veränderung auch die Geschlechtsidentität des Drosophila-Mannes verändert. Dazu müsste man halt jemand befragen, der was von Seelenwanderung versteht und der in seinem früheren Leben eine Drosophila-Transe gewesen ist. Weil das Experiment aber erst vor kurzem stattgefunden hat wird's wohl noch ein paar Jahre dauern bis wir die Wahrheit wissen.

Oder könnte es sein, dass Taufliegen gar kein Ich-Bewusstsein und folglich auch keine Geschlechtsidentität  haben? Insekten funktionieren fast wie Maschinen: Eine Schabe etwa lebt ohne Kopf noch ein paar Tage, wobei man ihre Behinderung nur daran erkennt, dass sie ohne Augen und Fühler halt ständig irgendwo anrennt. Schließlich verhungert sie. Das Gehirn scheint sie nicht unbedingt zu brauchen.

Und da sind wir auch schon gleich beim Menschen, weil sich da ein grundlegender Unterschied auftut zum rein mechanischen Leben der Schabe - das natürlich auch die Reproduktion umfasst. Dieser Unterschied ist wohl das, was die Bibel Erbsünde nennt.

Das Alte Testament entstand angeblich zwischen dem vierten und dem zweiten Jahrtausend vor Christus. Es ist schon eine beachtliche philosophische Leistung, das Ich-Bewusstsein, das abstrakte Denkvermögen als Erbsünde, sprich als Folge des Verzehrs der Frucht vom Baum der Erkenntnis, zu erkennen.

Ich weiß, das sieht die Bibelforschung ein wenig anders, aber so ist es spannender und ergibt vor allem einen Sinn. Es erklärt unter anderem, warum der Mensch etwa in der Lage ist, langfristige Strategien zu entwickeln, abstrakte Regeln aufzustellen und in Wort und Schrift zu kommunizieren - freilich nicht immer zum Wohl seiner Mitmenschen und überhaupt.

"Macht euch die Erde untertan" etwa hat der Schreiber dieses Textes vermutlich falsch verstanden (wie ja überhaupt viele Passagen aus der Bibel mehr menscheln als dass aus ihnen die Handschrift eines höheren Wesens erkennbar wäre): Bewusste Machtausübung und Unterdrückung sind wesentliche Merkmale 'höherer' Lebewesen, wobei der Mensch eine Perfektion entwickelt hat, die ihresgleichen erst finden muss im Universum (was sie aber hoffentlich nicht tut).

Besonders perfide find ich dabei, dass diejenigen, die Macht ausüben, sich meist auf ein höheres Wesen ausreden, das angeblich diese Regeln aufgestellt hat. Aber selbst wenn es dieses höhere Wesen gibt: Die aufgeschriebenen Regeln sind ja doch nur die Interpretation durch die 'niederen' Wesen, noch dazu auf der Grundlage eines 6000 Jahre alten Weltbildes.

Dieses Weltbild kennt, wie uns die Geschichten von Adam und Eva, aber auch von Noahs Arche zeigen, nur Mann und Frau. Das ist aus der Sicht der Fortpflanzungsbiologie ja nicht einmal ganz falsch, zumindest bei den Säugetieren und somit auch beim Menschen ist es so. Und die Vermehrung ist schließlich das Hauptziel sowohl der Evolution als auch der Mächtigen. Die erwarten sich davon natürlich eine Vergrößerung der ihnen untertanen Schafherde.

Leider hat der Genuss der Frucht des Verbotenen Baumes auch zur Erkenntnis geführt, dass der Akt der Fortpflanzung mit einem Lustgewinn verbunden ist (oder halt der Lustgewinn mit dem Akt der Fortpflanzung, ganz wie man will). Aber es kommt noch schlimmer: Auch mit dem Akt allein ist Lustgewinn verbunden, ohne dass der mit der Absicht oder mit der Möglichkeit verbunden ist, sich fort-zu-pflanzen.

Wenn ich zuvor ‚leider' geschrieben hab, dann deshalb, weil es die Regeln so wollen, dass der Akt der Fortpflanzung eine sehr ernste Angelegenheit bleibt. Im Grunde genommen wär's ja logisch, dass er mit Lustgewinn verbunden sein muss, denn wer tut schon etwas, das keinen Spaß macht?

Ja, jetzt glaub ich doch, dass es ein höheres Wesen gibt, das sich dabei auch noch was gedacht hat: Wenn nämlich jedes Mal, wenn zwei Menschen sexuellen Lustgewinn miteinander teilen, Nachkommen entstünden, dann wäre unsere schöne Welt überhaupt schon lang zum Schmeißen. Gott sei Dank ist es nicht so, und schon die Bonobos (das sind die klugen Zwergschimpansen
) haben erkannt, dass der gemeinsame Lustgewinn den sozialen Zusammenhalt fördert. (Sie haben wahrscheinlich das Gehäuse der Frucht und die Schale - die Adam und Eva übrig gelassen hatten - gegessen.)

Das Dumme ist nur, dass die Menschen, die das Alte Testament aufgeschrieben haben, scheinbar nichts von den Bonobos wussten. Und vermutlich waren sie in der Wüste sehr einsam oder einfach nur neidisch auf die Menschen, die beispielsweise in Sodom und in Gomorrha lebten, sodass sie den Lustgewinn bei der Fortpflanzung (und überhaupt) verdammt haben. Das ist ziemlich schlimm, denn mit Lustgewinn macht die Fortpflanzung wie schon gesagt viel mehr Spaß. Dabei muss man gar nicht so promisk leben wie die Bonobos: Allein die tiefe emotionale Beziehung zu einem anderen Menschen - manche nennen es 'Liebe' - wird durch den gemeinsamen Lustgewinn weiter vertieft. Und es spielt gar keine Rolle, ob dieser Mensch dem anderen, dem selben oder dem gleichen Geschlecht angehört. (Rein philosophisch betrachtet sind nämlich das 'Gleiche' und das 'Selbe' nicht dasselbe.)

6000 Jahre, 3 Monate und siebeneinhalb Tage ist man davon ausgegangen, dass das Sexualverhalten der Taufliege mit dem somatischen Geschlecht derselben verbunden ist. Einige werden jetzt sagen: "Was heißt somatisch? Geschlecht ist Geschlecht, und damit basta." Das stimmt so aber nicht. Das höhere Wesen (oder meinetwegen die Evolution) scheint auch recht verspielt zu sein: Immer wieder bringt es Neues hervor und schaut dann, was sich daraus entwickelt. So gibt es etwa Menschen mit zwei Xen als dreiundzwanzigstem Chromosomenpaar (das sind normalerweise 'Frauen'), die aussehen wie Männer, dann gibt es einige mit einem X und einem zweiten, verkümmerten X (also einem Ypsilon, das sind normalerweise 'Männer'), die aussehen wie Frauen, es gibt welche mit zwei Xen und einem Ypsilon .... und so weiter und so fort. "Es ist alles sehr kompliziert" hat einmal ein österreichischer Bundeskanzler gesagt. (Er hatte bestimmt das besonders große Stück von der Frucht gegessen, das Adam und Eva in der Tiefkühltruhe versteckt hatten.)

Ja, und wenn eine aussieht wie eine Frau heißt das noch lang nicht, dass sie beim gemeinsamen Lustgewinn mit einem Mann - selbst wenn sie's noch so gerne wollte - schwanger werden kann. Manche Frauen bilden keine reifen Eizellen aus, andere haben keine Gebärmutter und keine Eierstöcke, oder sie sind schon jenseits des Wechsels (nein, nicht in der Steiermark), wieder andere haben (oder hatten mal) sogar einen Penis. Es gibt vieles auf der Welt, das sich das höhere Wesen ausgedacht hat (man kann auch sagen: Das die Evolution hervorgebracht hat), von dem die niederen Wesen vor 6000 Jahren nicht einmal zu träumen gewagt hätten.

Fast hätt ich's jetzt vergessen: Natürlich gibt es auch Menschen, die aussehen wie Männer, die aber keinen Penis haben, sondern eine Scheide. Oder beides, und dann können sie ansonsten auch ausschauen wie Frauen. Aber das war jetzt schon fast zu erwarten. Deshalb erwähn ich die Männer gar nicht mehr, die aus irgendwelchen sonstigen Gründen nicht in der Lage sind, Nachwuchs zu zeugen. Zumindest nicht ohne die kleinen blauen Pillen.

Eigentlich wär das Leben ja ziemlich einfach: Wir freuen uns über jedes Kind, das in unsere Gemeinschaft hinein geboren wird (und wissen dabei, dass das nur passieren kann, wenn eine Eizelle mit einer Samenzelle verschmilzt) und kümmern uns gemeinsam darum, dass unsere Kinder zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft heranwachsen. Diese Aufgabe können alle übernehmen, die das wirklich mit Hingabe tun. Es soll ja Menschen geben, die zwar beim Akt den 6000 Jahre alten Regeln entsprechend an die Fortpflanzung gedacht haben, nicht aber daran, dass sie mit der Zeugung eines Kindes auch Verantwortung für dessen Leben übernehmen. (Obwohl das ganz klein gedruckt auch irgendwo in den Regeln steht.)

Wenn das im vorvorvorvorletzten, im vorvorvorletzten, dem vorvorletzten und dem vorletzten Absatz Gesagte in der Tat sehr kompliziert ist, so ist die Essenz daraus doch ziemlich simpel: Männer sind ein bisschen anders als Frauen, und umgekehrt ist es genauso. Das macht die Sache viel bunter und interessanter als wenn alles nur graues Einerlei wäre. Die Frucht der Erkenntnis hat uns auch die Möglichkeit gegeben, dass wir ganz bewusst nach Verbindendem suchen und uns mit Menschen identifizieren, denen wir uns auf eine bestimmte Weise näher fühlen als anderen. So kann es leicht passieren, dass sich Menschen mit Penis als Frauen fühlen und Menschen mit Scheide als Männer.

Lassen wir's ganz einfach dabei. Ändern wir lieber die ohnehin recht verstaubten 6000 Jahre alten Regeln.

Linda

 
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